Editorial.
Geben wir es zu: Haben wir Besuch aus der Ferne, dann laufen wir prahlend mit ihm durch die Altstadt, durch historisch Gewachsenes. Das Vergangene und das Gegenwärtige. Manchmal auch durch das Zukünftige, wenn wir an einer der Baustellen vorübergehen. Durch den Kern laufen wir und danach noch zum Hafen. Glänzen mit unserem Wissen über das Welterbe, mokieren uns über neu Entstandenes, Verschwundenes und noch immer nicht Erledigtes, ohne eine Ahnung zu haben, wie es besser oder schneller hätte vollendet werden können. Später stellen wir fest, der Kern verträgt eine Menge. Er ist stark und widerstandsfähig. Veränderungen und auch Fehler steckt er weg. Tun
ihm scheinbar sogar gut. Zumindest bis jetzt. Die kleine Angeberei unseren Besuchern gegenüber jedenfalls funktioniert vorzüglich.
Egal aus welcher Richtung wir in die Stadt kommen – von Weitem sehen wir schon, wo es hingehen soll. Der Marienkirchturm weist uns den Weg. Ohne aus der Ferne ahnen zu können, welche Wunde ihn umgibt. Eine Wunde im Kern und an der eigenen Schale.
Die Schale der Stadt durchdringen wir meist zügig, die Konzentration auf den Kern ist zu stark. Zumindest dann, wenn wir zu den Kernbewohnern oder -besuchern gehören. Leben wir in der Schale, dann müssen wir Acht geben, nicht den Verlockungen des Kerns zu erliegen und rechtzeitig noch innerhalb der Schale abzubiegen. Abbiegen, z.B. Richtung Wendorf, in den Friedenshof und nach Dammhusen oder nach Dargetzow.
Und nun, während Sie lesen, wünsche ich Ihnen eine gute Zeit – sei es in einer Schale oder in einem Kern.
Rüdiger Dorn